Erasmus+ in Lissabon - oder wenn alles von einer SMS abhängt

Dass ein Auslandsaufenthalt in Zeiten von Corona starke Nerven erfordert, zeigt die Reisegeschichte von Thorsten. Am Ende seines Studiums im Bereich Erwachsenen- und Weiterbildung hat er sich für ein Semester in Lissabon entschieden. Doch die Reise, die er gemeinsam mit seiner Freundin antritt, steht coronabedingt auf der Kippe. Und letztlich entscheidet eine einzige SMS, ob er seinen Flug antreten darf.
Eigentlich war alles schon lange durchgeplant. Unsere Wohnung in Lissabon hatte ich bereits ein Dreivierteljahr vorher organisiert. Dieses dreiviertel Jahr war geprägt von Unsicherheiten, ob mein letztes Semester als Student, überhaupt zustande kommen wird. Für den Großteil der Zeit hatte Portugal eine günstigere epidemische Lage als Österreich. Mitten im 1. Lockdown war ich noch optimistisch und hoffte auf eine Verbesserung der Situation. Mittlerweile sind wir mit COVID-19 mehr oder weniger vertraut, doch was stets für Überraschungen sorgt, ist ein plötzlicher Anstieg an Infektionszahlen, wie es leider in Portugal seit kurzem der Fall ist. Und damit verbundene neue Maßnahmen, welche von heute auf morgen beschlossen werden.

PCR-Stress
So traf uns eine dieser neuen Maßnahme unvorbereitet. Samstagnachmittag – also einen Tag vor der Abreise - bekamen ich und meine Freundin eine Verständigung von Ryanair, dass wir beim Boarding einen negativen PCR-Test vorweisen müssen.
Während der allerletzten Vorbereitungen standen wir vor der Herausforderung am Samstagnachmittag noch einen PCR-Test machen zu lassen. Eine Recherche auf der Website der Stadt Wien führte uns schließlich auf die Donauinsel, wo wir uns gratis einem PCR-Test unterzogen. Die Ernüchterung kam allerdings kurz nach erfolgter Nasenlochpenetration: Das Ergebnis komme frühestens am Montag. Während ich diese Zeilen an einem Dienstagmorgen in Lissabon schreibe warten wir immer noch auf das Ergebnis. Wie haben wir es also doch noch nach Lissabon und somit in eines der momentan am schlimmsten von COVID-19 geplagten Länder geschafft?
Noch am selben Abend fand meine Freundin auf einer Seite mit privaten Testangeboten die Möglichkeit, sich am kommenden Tag um 10:00 am Wiener Praterstern testen zu lassen und ein Ergebnis zu großer Wahrscheinlichkeit innerhalb von drei Stunden zu bekommen. Kostenpunkt 120 Euro pro Person. Da unser Flieger gegen 15 Uhr ging, erachteten wir dies als allerletzte Chance noch am Sonntag nach Lissabon zu kommen. So ging es am nächsten Tag zum Praterstern.
Dort angekommen fanden wir eine geschlossene Bar vor, die von außen mit Postern des Testanbieters versehen war und insgesamt eher an einen von zahlreichen Betrieben erinnerte, der zum Opfer des Corona-Lockdowns geworden war. Nach einigen Minuten des Wartens in der Kälte kam eine Dame, sperrte die Bar auf und bat uns kurz zu warten. Während sie Desinfektionsmittelspender und andere Utensilien im Außenbereich der Bar aufstellte, bildete sich hinter uns eine kleine Menschenschlange. Nach kurzer Datenabfrage war es so weit und innerhalb von 24 Stunden wurden wir zum zweiten Mal mit Stäbchen bearbeitet, diesmal ein Rachenabstrich. Insgesamt dauerte der ganze Prozess nicht mehr als fünf Minuten.
Warten am Flughafen
Nun begann das Warten am Flughafen. Werden wir unser Ergebnis rechtzeitig bekommen? Was passiert, wenn wir positiv sind? Als der Check-In-Schalter öffnete wurden wir nervös und es machte sich Unruhe bei uns breit. Eine junge Frau neben uns brach am Telefon in Tränen aus und verließ den Flughafen. Nachdem ein Mann gerade vom Check-In verwiesen wurde, weil er trotz der Tatsache portugiesischer Staatsbürger zu sein, nichts über die neue Regelung seiner Regierung wusste, vibrierte mein Handy: Eine neue Mail! Fehlalarm, lediglich ein Newsletter. Das Warten ging weiter. Der Check-In-Schalter war kurz davor zu schließen, als unsere beiden Handys nahezu im selben Moment vibrierten. Eine neue Mail. Betreff: SARS-COV2-PCR Report. Mit zitternden Händen öffneten wir den Anhang der Mail. Das angehängte PDF war für uns die Erlösung: Negativ!
Endlich Gewissheit
Unsere Stimmung schlug augenblicklich um, die Erleichterung war unbeschreiblich. Beim Boarding mussten wir mit ansehen, wie weitere Passagiere, die ausschließlich mit Handgepäck verreisten und deshalb nicht zum Check-In-Schalter mussten, auf die neue Regelung aufmerksam gemacht wurden und ihnen der Zugang zum Flieger verweigert wurde. Insgeheim froh, dass wir nicht in deren Haut steckten, bezogen unsere Sitzplätze. Der Flieger war nicht einmal zur Hälfte belegt. Wie viele Personen wurden noch von der neuen Maßnahme überrascht und schafften es nicht rechtzeitig ein Resultat zu erhalten? Wie viele hatten die Mail von Ryanair überhaupt gelesen?
Angekommen am Lissaboner Flughafen mussten wir unser Resultat nochmals vorzeigen. Vor lauter Stress wunderte ich mich über all die polnischen Taxis, ehe ich mir bewusst wurde, dass das „P“ in den Kennzeichen für Portugal steht. Wir hatten es geschafft - wir sind in Lissabon angekommen!
