Mit dem Segelboot nach Chile
Mein Auslandssemester an der Universidad de Concepción in Chile beginnt im März 2025. Unterwegs bin ich aber schon seit Oktober. Warum? Ich habe mir in den Kopf gesetzt, bei meiner Anreise auf Flüge zu verzichten. So kommt es, dass ich im Moment in einer Nussschale sitze, die ziemlich heftig durch die Wellen schaukelt und derzeit angeblich der ISS näher ist als jedem Festland auf der Erde. Da Internet mitten am Atlantik nur spärlich verfügbar ist, konnte letzteres allerdings nicht eindeutig überprüft werden.
Angefangen hat meine Reise am Grazer Hauptbahnhof, mit meinem Rucksack am Rücken und einem Interrailticket in der Hand (bzw. am Handy). Erstaunlicherweise ließen mich die Verbindungen durch Schweiz, Frankreich und Spanien nicht im Stich und ich kam nach zwei Tagen Zugfahren in Malaga an. Beherbergt wurde ich dort von einem Freund auf Erasmus Semester. Er wollte mir glaubhaft machen, dass er außer am Strand auch Zeit auf der Uni verbringt. Mit der Fähre ging es schließlich weiter zu den Kanarischen Inseln. Der Abend an Bord war dank der guten Gesellschaft und der preiswerten Getränke äußerst unterhaltsam, die Nacht dann eher ungemütlich.
Auf Lanzarote angekommen nahm mich mein brasilianisch-australischer Kapitän in Empfang und ich bezog meine Koje auf dem Segelboot, das mich bis in die Karibik bringen sollte. Nachdem der Proviant besorgt und der Rest der vierköpfigen Crew eingetroffen war, stachen wir in See. Das Ziel war zunächst die Kap Verd‘sche Inselgruppe. Highlights der 7-tägigen Überfahrt waren die häufigen Besuche von Delfinen, die Sichtung eines riesigen Hais (ca. 15 min nachdem wir alle im Wasser waren) und die vier geangelten und verspeisten Fische.
Auf den Inseln Sal und Sao Vicente genossen wir das feste Land unter den Beinen und das fast schon karibische Flair. Als bitterer Beigeschmack bleibt jedoch auch die allgegenwärtige Armut, mit der ich oft schwer umgehen kann. Da ich mich auf dem ersten Teil unserer Reise als seefester Koch bewährt habe, wurde mir sogleich die Beschaffung des weiteren Proviants aufgetragen. Vier Männer für zwei bis drei Wochen auf hoher See mit begrenzten Kühlkapazitäten – gar nicht so leicht! Dafür ist mein Portugiesisch jetzt so weit, dass ich am Markt halbwegs erfolgreich über den Preis von Zwiebeln und Papayas verhandeln kann – learning by doing…
Jetzt sind wir also schon acht Tage unterwegs und bis wir die karibische Insel Grenada erreichen, wird es wohl noch weitere acht Tage dauern. Inzwischen vertreibe ich mir die Zeit mit Lesen, Kochen und Kreuzworträtseln. Die Umgebung ist sehr eintönig, außer Meer und Himmel sind nur Wolken zu sehen, das letzte Boot haben wir vor vier Tagen gesichtet. Während der Nachtschichten ist es schon spannender: Am Himmel kann man Sternschnuppen und Satelliten zählen und dabei hoffen, dass man nicht von einem fliegenden Fisch getroffen wird. Kein Scherz.
Mittlerweile sind wir gut auf Grenada angekommen. Die zweite Hälfte der Überfahrt war geprägt von hohen Wellen und starkem Wind. Das daraus resultierende Schaukeln macht einfach alles mühsamer: Kochen, abwaschen, gehen, sitzen und vor Allem schlafen. In der Nacht wurden wir außerdem regelmäßig mit kurzen aber heftigen Regenschauern beglückt. Dementsprechend waren wir überglücklich als nach 15 Tagen die Lichter von Grenada am Horizont auftauchten.
Mein Segelboot hat hier seine vorübergehende Endstation erreicht und so musste ich meine Fühler nach einem Boot Richtung Westen ausstrecken. Nachdem unsere Nachbarn eine chilenische Flagge auf ihrem Katamaran hatten, stattete ich ihnen kurzerhand mit dem Beiboot einen Besuch ab und fand heraus, dass sie nicht aus Chile sondern aus Texas sind (sehr ähnliche Flagge mit hohem Verwechslungspotential). Wie es der Zufall so will, segeln sie aber in einer Woche nach Curacao, was genau meiner Richtung entspricht. Mein Tritt ins Fettnäpfchen wurde mir scheinbar verziehen, denn sie boten mir an mit meinen sieben Sachen an Bord zu kommen und sie nach Curacao zu begleiten. Bis dahin bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als diese Insel mit ihren saftig grünen Regenwäldern, weißen Sandstränden und bunten Häusern zu erkunden. Die Grenadians sind natürlich auch schon voll in Weihnachtsstimmung, mein derzeitiger Ohrwurm und Musiktipp des Tages: „Santa looking for a Wife“ von Bindley B.